Wenn von Software in der Eisenbahn-Leit- und Sicherungstechnik (LST) die Rede ist, denken viele sofort an sicherheitskritische Systeme: Stellwerke, Zugsicherung, ETCS. Doch jenseits dieser streng regulierten Welt existiert ein dynamisches Feld moderner Softwareentwicklung – Anwendungen, die zwar nicht direkt über Zugbewegungen entscheiden, aber den Bahnbetrieb deutlich effizienter, transparenter und moderner machen.
Was sind „nicht sicherheitskritische“ Systeme in der LST?
Nicht sicherheitskritische Software unterstützt die Planung, Überwachung und Instandhaltung der Infrastruktur, ohne direkt in den Fahrbetrieb einzugreifen. Beispiele sind:
- Diagnosesysteme für Weichen, Signale und Achszähler
- Betriebsleitsysteme zur Visualisierung und Disposition
- Planungs- und Simulationstools für Fahrstraßen- oder Anlagenlayouts
- Datenplattformen und Schnittstellen für das Asset-Management
- Mobile Anwendungen für Monteure und Servicetechniker
Diese Systeme unterliegen meist keinen Sicherheitsnormen wie der EN 50128, was mehr Freiraum für agile und experimentelle Softwareentwicklung schafft.
Moderne Entwicklungsmethoden und Technologien
In den letzten Jahren hat sich die Art, wie solche Systeme entwickelt werden, stark verändert. Während klassische LST-Software oft monolithisch, hardwaregebunden und schwer wartbar war, setzen neue Projekte auf moderne Softwarearchitekturen und agile Prozesse.
Agile Entwicklung und DevOps
Scrum, Kanban und Continuous Delivery sind heute Standard. Kleine, interdisziplinäre Teams liefern regelmäßig funktionierende Software-Inkremente aus.
- Continuous Integration/Deployment (CI/CD) sorgt für schnelle Test- und Rollout-Zyklen.
- Automatisiertes Testen und Containerisierung (z. B. mit Docker oder Kubernetes) ermöglichen stabile und reproduzierbare Umgebungen.
Cloud und Datenplattformen
Immer mehr Systeme wandern in die Cloud – natürlich in kontrollierten, oft hybriden Architekturen.
- IoT-Integration erlaubt die Erfassung von Zustandsdaten direkt aus der Infrastruktur.
- Data Lakes und Streaming-Architekturen (z. B. Kafka) unterstützen Big-Data-Analysen und Predictive Maintenance.
Moderne Frontends und User Experience
Während klassische Bahnsoftware oft funktional, aber schwerfällig war, steht heute die Benutzerfreundlichkeit im Vordergrund.
- Webbasierte Oberflächen (React, Angular, Vue) und mobile Apps machen Anwendungen intuitiv bedienbar.
- Visual Analytics und interaktive Dashboards (z. B. mit Grafana oder Power BI) liefern den Anwendern echte Mehrwerte.
Zusammenarbeit zwischen IT und Bahntechnik
Eine Besonderheit in der LST ist die enge Verzahnung zwischen Domänenwissen und IT-Kompetenz. Erfolgreiche Teams kombinieren Bahningenieure, Softwareentwickler und Datenanalysten.
- Domain-driven Design (DDD) hilft, komplexe Bahnsysteme strukturiert in Software zu übersetzen.
- APIs und Microservices schaffen Schnittstellen zwischen alten und neuen Systemen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur digitalen Leit- und Sicherungstechnik.
Fazit
Die Zukunft der Leit- und Sicherungstechnik liegt nicht nur in hochsicheren Steuerungssystemen, sondern ebenso in der digitalen Intelligenz rund um sie herum.
Moderne Softwareentwicklung – agil, datengetrieben und nutzerorientiert – verändert die Art, wie Bahnbetreiber ihre Infrastruktur verstehen, warten und optimieren.
Wer in diesem Umfeld entwickelt, gestaltet die Eisenbahn von morgen: vernetzter, effizienter und nachhaltiger – und das mit allen Freiheiten moderner IT.